Geschichte

Geschichte des Gutshof Flierich

Der historische Klotmannshof in Bönen-Flierich (Kreis Unna) stellt heute ein Denkmalensemble erster Güte dar. Er gehört seit 1988 dem Kaufmann Rudolf Spiekermann. Doch werfen wir erst einen Blick zurück in die uralte Geschichte des Hofes am Rande des Dorfes Flierich.

Erstmalige schriftliche Erwähnung findet der Hof als „Kloitman“ im Schatzbuch der Grafschaft Mark von 1486. Zu jenem Zeitpunkt wurde er mit einer Schatzung von 6 Gulden veranlagt. Daraus ist zu schließen, dass er damals einen Wert von 200 Gulden aufwies und zu den größeren Höfen des Dorfes Vlerick (= Flierich) gehörte.

Im Jahr 1470 ist das Kloster Kentrop bei Hamm Grundeigentümer und blieb es bis zur Säkularisation (sogen. Verweltlichung von Kircheneigentum) im Jahr 1803. Als Rechtsnachfolger des aufgehobenen Klosters trat der preußische Staat als neuer Hofeigentümer auf. Der Klotmannshof war nun eine Königliche Domäne.

Wie schon seit Jahrhunderten zuvor, wurde er weiterhin von der Familie Klotmann in jeweils 12-jähriger Zeitpacht bewirtschaftet. Nach den Reformen des Freiherrn vom und zum Stein zu Anfang des 19. Jahrhunderts war die Gutsuntertänigkeit jedoch aufgehoben, und jeder Bauer konnte Eigentümer des oftmals seit Jahrhunderten von ihm bzw. seiner Familie bewirtschafteten Hofes werden. Allerdings musste er eine sogen. Ablösesumme bezahlen, die das 12- bis 20-fache der bisherigen Pachtabgaben betrug. Der Familie Klotmann gelang es im Jahr 1851, sich endgültig gegen eine Zahlung von 2.580 Reichstalern von der Grundherrschaft zu befreien und war damit „freier Herr auf freier Scholle“.

Das große Fachwerk-Langhaus, ein von Heinrich Berkhoff und Anna Klotmann im Jahr 1681 errichteter Vierständerbau, weist im Inneren einen offenen Kamin von 1746 mit zwei Einfassungen auf, aus denen hervorgeht, dass Henerich Klotman (=Heinrich Klotmann) in jenem Jahr den Kamin einbauen ließ. Die Holzeinbauten, wie Türen, Treppen, Geländer, Innenfenster (Ausluge) und Empore sind noch im Original vorhanden und von Rudolf Spiekermann fachgerecht restauriert worden. Auch der Deelenfußboden ist zum Teil noch im Original vorhanden und stellt ein Fischgrätmuster mit geometrischen Verzierungen dar.

Anfang des 19. Jahrhunderts soll der Überlieferung zufolge der französische Kaiser Napoleon I. in der „Upkammer“ über der Deele übernachtet haben. Die weiteren denkmalgeschützten Fachwerkgebäude im Hofbereich sind ebenfalls vorbildlich gepflegt. Backhaus bzw. Speicher und langgezogener Stall dienen als Wohngebäude und Pferdestall. Die Sprüche am offenen Kamin und am Deelentorbalken des Fachwerk-Langhauses von 1681 sollen nachfolgend im Originalwortlaut wiedergegeben werden.

An der Kamineinfassung: HENERICH KLOTMAN und ELISABET BRAUCKMAN AO 1746 FLUCH N(ICH)D IN MEINEN HAUS ODER GEHE ZUR D(Ü)HR HINAUS.

Am Deelentorbalken: ICH PREHSE DICH HER DAN DV HAST MICH ERHÖHET UND LASEST MEINE FEINDE SICH NICHT VBER MICH FREWEN PS 30 HINRICH BERGHOF ANNA KLOTMANS ANNO 1681 DE 10t YVNY HB AK.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der Hof eine Größe von 218 Morgen (=54,5 ha). Heinrich Klotmann war vermögend und baute1911 die sogen. Villa südwestlich in Sichtweite des Hofes. Hier konnte man besser repräsentieren und leben als im alten Fachwerkhaus. Im Jahr 1913 soll anlässlich eines „Kaisermanövers“ der preußische General Erich Ludendorff (1865-1937) fünf Tage als Gast gewohnt haben. Seine Wohlhabenheit zeigte Heinrich Klotmann auch gern nach außen hin, was ihm im Dorf den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Protzenbauer“ einbrachte. Seine Ehe war kinderlos geblieben, so dass er um 1900 seinen Verwandten Emil Braukmann adoptierte, der dann den Namen Klotmann bekam. Emil Klotmann heiratete Berta Beckmann aus Hilbeck. Den Eheleuten wurde 1904 ein Sohn geboren, der den Namen Heinrich erhielt. Heinrich Klotmann sen. starb im Jahr 1913. Im Jahr 1914 kaufte die Bergwerksgesellschaft „Gewerkschaft Bramey“ den uralten Klotmannshof sowie die benachbarten Güter Horst und Mundloh. Die aufsitzenden Bauern wurden vermutlich durch das viele Geld geblendet und gaben somit ihre Sicherheit auf. Durch Spekulation und Inflation verloren sie dann größtenteils ihr Vermögen. Die Eheleute Emil und Berta Klotmann kauften eine kleine Besitzung in Lämershagen bei Bielefeld, wo sie ohne viel Glück gewirtschaftet haben sollen. Sohn Heinrich musste sich als Milchkontrolleur ein Zubrot verdienen. Seine Eltern verstarben nach dem 2. Weltkrieg und wurden auf dem Friedhof in Flierich beigesetzt.

Die Gewerkschaft Bramey verpachtete den Klotmannshof 1914 mit 108 Morgen (=27 ha) an den Landwirt Wilhelm Schulze-Allen, der in die neue Villa einzog. Er war bis zum Jahr 1950 Pächter. Danach führte die Witwe van Bürck den Hof in eigener Regie und stellte den Landwirt Semer aus Ostpreußen als Verwalter ein. Schon 1918 hatte der Bergrat Ernst van Bürck den Hof von der Gewerkschaft Bramey gekauft. Die Familie van Bürck behielt den Hof über zwei Generationen bis zum Jahr 1981 und verkaufte ihn dann an die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Unna. Von 1981 bis 1988 war der Landwirt Franz Jansen aus dem Rheinland Pächter und betrieb hier eine Milchviehhaltung.

Im Jahr 1988 trennte sich die Wirtschaftsförderungsgesellschaft vom Klotmannshof und verkaufte die historischen Gebäude mit insgesamt 7 ha Land an den aus Menden gebürtigen Kaufmann Rudolf Spiekermann (geb. 1952). Der größere Teil der Ländereien wurde an einen industrieverdrängten Landwirt aus Westerbönen verkauft.

Rudolf Spiekermann ist verheiratet mit Erzieherin Sandra Lippold-Spiekermann (geb. 1968). Die Eheleute haben zwei Kinder, Sohn und Tochter. Bei der Übernahme des Hofes waren alle historischen Gebäude desolat, wie man es so oft bei langjährigen Pachthöfen beobachten kann. Allerdings standen alle Gebäude schon unter Denkmalschutz und waren dadurch vor Abriss geschützt.

Rudolf Spiekermann hatte ein Konzept für die sinnvolle Nutzung der Gebäude und fand damit beim Kreis Unna und beim Landesjugendamt Münster volle Zustimmung. Die Betriebserlaubnis für die Betreuung von Jugendlichen und Kindern im Alter von 8 bis 18 Jahren, die auf dem Klotmannshof leben und umliegende Schulen besuchen, wurde staatlicherseits erteilt.

Das Fachwerk-Langhaus baute Rudolf Spiekermann für sich und seine Familie aus. Das Innere weist einen Wohnteil auf, der schon zur Erbauungszeit des Hauses, also 1681, so ausgesehen haben mag. Allerdings wurde alles gründlich und denkmalgerecht restauriert. Die früheren Ställe rechts und links der Deele sind natürlich nicht mehr vorhanden, sondern in Wohnräume umgewandelt worden. Alle anderen Gebäude erfuhren ebenfalls eine denkmalgerechte Renovierung.

Im Jahr 1994 ließ Rudolf Spiekermann an der südöstlichen Seite des Areals eine Reithalle erbauen. In den Ställen gegenüber befinden sich Pferdeboxen für Dressur- und Springpferde. In den Ställen stehen auch einige Pensionspferde, deren Eigentümer die Anlage auf dem Hof nutzen dürfen. Der Klotmannshof in Bönen-Flierich stellt ein hochkarätiges Denkmalensemble mit viel Leben dar, das mit seinen neuen Nutzungen für die Zukunft gerüstet ist.

 

Quelle: Recherche und Text von Hartmut Platte